Nach allen Regeln der Kunst

Ja, ich liebe das Drama. Beim Schauspielstudium am renommierten Mozarteum in Salzburg war ich Feuer und Flamme. Sprechtechnik, Gesang, Tanzen, Bühnenfechten, Dramen-Analyse, Dialogarbeit, Gedicht-Rezitation ... großartig! 

Leider hatte ich als Frau in den allermeisten Stücken so furchtbar wenig zu sagen. "Sein oder nicht sein?" Pustekuchen. Für brillante Texte und spannende Handlungen waren traditionell Kollegen verantwortlich. Immerhin leisteten die erlernten Techniken auch abseits der Bühne gute Dienste. Meine Stimme als Instrument zu begreifen und darauf spielen zu lernen war eine tolle Sache. Ebenso Bühnenpräsenz, souverän vor Publikum zu sprechen und kreativ arbeiten zu dürfen. Die Macht von Körper, Stimme und Worten faszinierte mich sofort und brachte mich zur Sprechtechnik und zur Regie. 

Mein erster Sprechschüler war ein Sänger: Mein Wellensittich Bubi. Mit 9 Jahren lernte ich gerade selbst Französisch und fand es lustig, ihm französische Flüche beizubringen. Das hat super geklappt und Bubi war der Star der Nachbarschaft. Später im Beruf schulte ich Sänger:innen aus aller Welt in deutscher Phonetik, damit auch die Worte aus Mozarts Arien oder dem deutschen Lied über die Rampe kamen.

Die Arbeit mit Musical-Darstellenden brachte mich nach Hamburg, ich führte Regie an der Südwestfälischen Freilichtbühne und landete schließlich am Institut für Musik der Hochschule in Osnabrück. Als junge Mutter hatte ich deutlich weniger Zeit für das Theater, dafür aber viel Gelegenheit, alle Phasen des Sprechenlernens in Echtzeit an meinen Kindern zu verfolgen – und sehr bald, mich im Argumentieren zu üben, denn niemand kann härter verhandeln als ein Kind, wenn es Gemüse essen, Bildschirm-Zeiten einhalten, oder einen Fahrradhelm tragen soll.

 

Ein Glück nur, dass ich mich am Institut Rhetorica in Münster und am systemischen Institut in Hamburg zur Expertin für Gesprächsführung und Konfliktmanagement fortgebildet hatte. Jede Theorie habe ich dem ultimativen Härtetest in der Familie unterzogen. Nur was diesen Test besteht, ist für mich der Rede wert.

Als Kommunikations-Trainerin in Unternehmen habe ich täglich vor Augen, wie ungleich die Redezeit nicht nur in Theaterstücken verteilt ist. Chancengleichheit? Nun ja. Meist werden nicht alle Menschen im gleichen Maße gehört. Gerade Beiträge von stillen Team-Playern und klugen Beobachter:innen gehen im lauten Grundrauschen schnell unter. Emotional sprechende Menschen werden oft missverstanden und weniger ernst genommen. 

 

Als Kabarettistin führe ich gerne weiterhin die allzu menschlichen Kommunikations-Desaster vor. Abseits der Bühne ist ein selbstbewusstes und wertschätzendes Miteinander mein Ziel – nach allen Regeln der Kunst.

© Judith Behrens 2024 Alle Rechte vorbehalten.

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